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Eine Betrachtung von Dr. Bettina Broxtermann


Was ist Zauberkunst?

Begriffe wie Trick, Täuschung, Magie, Mystik, Mentalzauber, übernatürliche Kräfte oder Taschenspielerei tauchen immer wieder auf und sind zum Teil historisch bedingt.

Wittus Witt hat über die Jahre seine eigene Definition entwickelt und beschreibt Zauberkunst mit folgenden Worten: „ Der Zauberkünstler spielt mit der Realität. Er erzählt unmögliche Geschichten, die er mit möglichen Mitteln verwirklicht. …Jedes Zauberkunststück lässt sich logisch erklären, es wird aber mit einer Anti-Logik geschaffen. Es ist logisch, dass die tatsächlich zerrissene Zeitung nicht wieder hergestellt, sondern gegen ein unversehrtes Blatt ausgetauscht wird. Also muss der Zauberkünstler eine Anti-Logik kreieren, welche die Logik des Zuschauers ad absurdum führt. Der Zuschauer darf nicht auf den Gedanken kommen, es könnten zwei Zeitungsexemplare im Spiel sein, auch wenn das natürlich völlig logisch ist.“ *


Die Philosophie des Wittus Witt

Für Wittus Witt ist Zaubern viel mehr als Fingerfertigkeit und die Beherrschung von Tricks. Ausgeklügelte Strategien und psychologisches Einfühlungsvermögen sind gepaart mit einem besonderen Denkvermögen. Der Zauberer Witt ist nicht nur ein schneller Denker und guter Handwerker, sondern auch Psychologe, brillanter Kommunikator und Schauspieler. Er lässt sich ganz auf sein Publikum ein, stellt gleich zu Beginn der Vorstellung eine Beziehung zu seinen Gästen her und macht sie zu seinen Verbündeten im Spiel mit der Illusion. Er sieht voraus, wie sein Publikum in bestimmten Situationen reagieren wird, und irritiert sie, indem er die Gesetze der Logik umgeht. Bereitwillig teilt er seinen Besuchern mit, dass er eigentlich gar nicht zaubern kann, erzählt ihnen bis zu einem gewissen Grad ganz offen, wie seine Tricks funktionieren und …–  bringt sie im nächsten Moment durch Unerwartetes zum Staunen. Mit Simsalabim, Abra Kadabra oder Hokus Pokus hat Zauberkunst seiner Überzeugung und Erfahrung nach nichts zu tun. Täuschen und Irreführen möchte er seine Zuschauer nicht, er liebt die Transparenz. Die Kommunikation ist bei seinen Vorstellungen das Wichtigste, denn sie ist es, die die Illusion in den Köpfen der Zuschauer entstehen lässt. Ohne Zuschauer gibt es, anders als in anderen Künsten, keine Zauberkunst.


Zauberkunst ist eine der ältesten Kunstformen der Welt

Hieronymus Bosch stellte im 15. Jahrhundert als einer der ersten Künstler einen Gaukler auf einem Gemälde dar. Cornelius Bos griff 1550 das Motiv in einem Kupferstich auf. Neben dem Gaukler gibt es in der Menge der zahlreichen Neugierigen noch einen anderen “Taschenspieler“. Ein Mann macht sich an der Börse eines Zuschauers zu schaffen. Mit dem Ruf der Gaukler war es in vergangenen Jahrhunderten nicht zum Besten bestellt. Anfangs zogen sie über Land und zeigten ihre Kunststücke auf Marktplätzen und Jahrmärkten. Wie bei den Zahnärzten der damaligen Zeit war die Begeisterung der Menschen zwiespältig. Zum einen sorgte das Erscheinen dieser Leute für Abwechslung, zum anderen zogen die Darbietungen allerlei Gesindel an, das die Unachtsamkeit der umstehenden Zuschauer für ihre Gaunereien nutzte. Diese fielen natürlich auf das fahrende Volk zurück. Außerdem hatte die Bevölkerung Angst vor dem Unerklärlichen. Dinge verschwanden, tauchten wieder auf, manches wurde zerstört und wiederhergestellt. Taschenspieler standen im Volksaberglauben in Verbindung zu Übernatürlichem, bösen Mächten und Hexen.


Erste Bücher zur Zauberkunst entstanden gegen Ende des 16. Jahrhunderts, auch mit dem Bedürfnis aufzudecken, dass es sich bei den angeblichen Wundern der Taschenspieler nicht um Teufeleien, sondern reine Wahrnehmungstäuschungen handelt. Im 18. Jahrhundert machten sich Zauberer immer mehr die Erkenntnisse der Wissenschaft bei ihren Vorführungen zunutze. Magnetismus und Elektrizität waren besonders beliebt und veranlassten zu ausgeklügelten Kunststücken. Waren Jahrmärkte und Gasthöfe anfangs Orte der „Verzauberung“, findet man Illusionisten bald in Theatern und öffentlichen Salons. Sogar bei Hofe durften einige der berühmtesten Zauberer auftreten. Mit der wachsenden gesellschaftlichen Anerkennung erlernten im 19. Jahrhundert Erwachsene und Kinder unter dem Aspekt von Wissensvermittlung und Unterhaltung ihre Tricks und führten sie im privaten Kreis auf. Zauberkästen und Bücher halfen bei der Erarbeitung. Versandhäuser und Geschäfte für Zaubermaterialien vertrieben in großem Stil ihre Waren.

Im Buch „Zaubern und Verzaubern. Ein Blick in die zeitgenössische Zauberkunst“, dass Wittus Witt 2008 veröffentlichte, findet man im Kapitel „Wer ist wer“ eine große Zahl an Zauberern, die die Zauberkunst im ausgehenden 19. und während des 20. Jahrhunderts nachhaltig geprägt haben. Selbstverständlich haben sich mit der fortschreitenden Technisierung der Welt die Hilfsmittel und Kunststücke ebenso wie die Orte der Vorstellungen verändert. Welche Entwicklung möglich ist, sehen wir an der Geschichte von Wittus Witt.


Wie wird man ein großer Zauberer?

Witt ist künstlerisch vorgeprägt. Sein Urgroßvater war der bekannte Leipziger Architek Prof. Paul Richter, der in seiner Freitzeit auf seinen Reisen Aquarelle angefertigt hat. Witts Vater zeigte seinem sechsjährigen Sohn den ersten Kartentrick und legte damit unbeabsichtigt den Grundstein für dessen Karriere. Begeistert übte dieser und sammelte Tricks, wo es nur ging. Schon als Junge zeigte er seine Kunststücke auf Feiern und Festen. Trotz seiner unzähligen Auftritte hatte Wittus Witt lange nicht die Absicht „Berufszauberer“ zu werden. Er studierte Kunst in der Klasse von Josef Beuys. Noch heute empfindet er es als eine wichtige und prägende Erfahrung, bei dieser Persönlichkeit der deutschen Kunstszene gelernt zu haben. Seinen Abschluss machte er auf der Schule für Grafikdesign.


In den siebziger Jahren animierte ihn die Zauberin Judy Carter aus den USA, auf der Straße zu zaubern. Diese Erfahrung ließ den Begeisterten nicht mehr los. Fortan zauberte er auf Straßen und Plätzen, so wie es schon seine Vorfahren taten. Das erstaunte Publikum – an solche Einlagen nicht mehr gewöhnt - war begeistert, wie auch Jean Pütz, der ihn sah und in seine Fernsehshow einlud. Damit begann die eigentliche Karriere des Wittus Witt. Er erobert die Bühnen der Welt, zaubert in Las Vegas, Hong Kong, Kathmandu, Paris und Wien. Tritt in unzähligen Fernsehsendungen auf, hat seine eigene Show, zaubert sogar im Radio, berät Theater und tritt bei Vorstellungen selber als Schauspieler auf. Unermüdlich, wie er ist, schreibt er eigene Bücher über die Zauberkunst. 2000 übernimmt er die damals seit 49 Jahren bestehende Zeitschrift „Magische Welt“ und gibt sie fortan in Eigenregie heraus. Der Grafiker Witt gibt dem Blatt ein neues Gesicht. Glaubwürdigkeit und Wissen des Zauberers Witt bleiben bei den Lesern nicht unbemerkt, sodass innerhalb eines Jahres die Auflage auf das Doppelte ansteigt.

Die Galerie W ist ein Ort, an dem Wittus Witt nicht nur die Geschichte der Zauberkunst zusammengetragen hat, hier möchte er andere Menschen begeistern und ihnen bewusst machen, dass Zauberkunst ein Stück Kulturgeschichte ist.


* In: Wittus Witt, Zaubern und Verzaubern. Ein Blick in die zeitgenössische Zauberkunst. Bergatreute/ Aulendorf 2008, S. 18